Biphobie meines Vaters

Meinen Vater hat es sehr aufgeregt, dass eine unserer Nachbarinnen
mit einem Jungen aus ihrer Klasse zusammen war und er konnte nicht
verstehen, dass sie es ist und dachte, dass sie als Einzige nicht
weiß, dass er/ihr Freund bisexuell ist, obwohl es unsere ganze Schule wusste.
Er macht daraus keinen Hehl und ging sehr offen damit um. Alle wussten, dass nicht
nur manche Frauen sondern auch manche Männer auf ihn stehen und er ebenfalls beiden
Geschlechtern zugeneigt war.

Mein Vater aber dachte und ich weiß überhaupt nicht, wie er zu diesen falschen
Schlüssen kam, da er mit dieser jungen Frau nie geredet hat, dass sie ahnungslos ist
(also dass sie nicht weiß, dass ihr Freund bi ist und zudem einen Liebhaber hat -
sie führten eine offene Beziehung, die aber rasch endete, er und sein Liebhaber
blieben ein Paar) und dass der junge bisexuelle Mann ihr seine Neigungen verschweigt und verheimlicht und dass er sie mit AIDS oder irgendeiner anderen sexuell
übertragbaren Krankheit anstecken wird - er ging also davon aus, dass ihr
Freund mit irgendeiner dieser Krankheiten infiziert ist und dass die
beiden keinen safer sex praktizieren und er vergass scheinbar vollkommen, dass sie ein heterosexueller Mann ebenfalls theoretisch
anstecken könnte. Mein Vater war wutentbrannt "was will sie mit dem, der steckt seinen
Schwanz in die Ärsche anderer Männer und wird von ihnen in den Arsch gefickt, er wird
sie anstecken, sie weiß nicht, mit wem sie es zu tun hat, jemand müsste ihr das
sagen". Ich sagte ihm damals (ich war in der Oberstufe zu der Zeit), dass sie es weiß
und dass alle in der Schüler inklusive der Lehrer es wissen. Das brachte meinen Vater
aber nicht runter von der Palme. Ich denke mal, dass ihm selbst diese junge Frau (damals
so an die 19) gefallen hat. Selbst Jahre später als sie schon ihr Studium abgeschlossen
hatte, einen anderen Mann geheiratet hatte und mit ihm Kinder hatte, erinnerte sich
mein Vater zurück an ihre Beziehung mit ihrem bisexuellen Exfreund und wetterte gegen ihn
und bezeichnete ihren Gatten als "richtigen Mann" und dass sie das erkannt hätte und
dass ihr das wichtig gewesen wäre und es für sie unwichtig gewesen wäre, dass er nicht
gebildet wäre (wenn jemand keinen Uniabschluss hat, war das für meinen Vater gleichbedeutend mit ungebildet), da für sie die Hauptsache gewesen wäre, dass er nur
auf Frauen steht. Ich kann bis heute nicht glauben, was sich mein Vater da alles
selbst in seiner Fantasie ausgemalt hatte und was er vermutet hat.