Friday, July 4, 2014

Reif fürs Krematorium in meinem Abianzug

Stichworte (brainstorming): Tod des Vaters, Kremierung, wir brauchten für ihn einen Anzug, er
hatte keinen passenden, seine Beine waren auf Grund seiner Herzkrankheit und
der Wassereinlagerungen auf ihre doppelte bis dreifache Größe angeschwollen,
es ging alles so abartig schnell und zudem war Wochenende, die meisten
Geschäfte hatten zu, in eine größere Stadt zu fahren, wäre in der
Situation viel zu stressig gewesen, jemand musste bei Mutter bleiben, ich
fand dann in einem Umzugskarton meinen Abituranzug, den ich nur ein Mal im
Leben während der mündlichen Prüfung und beim
Photoshooting meines Abijahrgangs getragen hatte und der wie neu war, mich
hatte es damals ziemlich gestört, dass man entweder ein Kleid oder einen
Anzug zu dieser Gelegenheit tragen musste und dass uns unsere Schule somit
zum Geld ausgeben zwang, im Nachhinein betrachtet, wäre es sicher klüger und
ökonomischer gewesen einen Anzug zu leihen oder einen zu bestellen und dann
vom Rückgaberecht Gebrauch zu machen, ich denke, dass ich diese Idee schon
damals hatte, aber sie nicht in die Tat umgesetzt habe, zudem war ich
ein Schwergewicht und musste ins Herrenabteil einen Kaufhauses, um meine
Größe zu finden, ich habe nie gedacht, dass wir meinen Anzug mal brauchen
würden, damit ihn meinem Vater jemand in der Pathologie anziehen könnte, um
ihm den Anzug, ein neues schwarzes Hemd, neue schwarze breite
Socken ohne einschnürendes Gummiband, Schuhe, ein T-Shirt, Unterhose usw. vor der
Kremierung auszuziehen. Angeblich werden solche Klamotten und Schuhe hinterrher
einer wohltätigen Organisation gespendet. Das hat uns der Bestattungsunternehmer
so gesagt.
Die Schuhe habe ich meinem Vater einen Tag nach seinem Tod im Deichmann
gekauft. Anziehen konnten sie ihm ohnehin nicht. Das war also auch alles nur,
um irgendeine bescheuerte und sinnlose Sitte zu erfüllen. Man kriegt in
solchen Situationen zu hören, dass es der Vater doch wert ist, dass er
gut angezogen ist und dass man an ihm nicht spart. Mir wäre es lieber, wenn mein
Vater zeitlebens nicht an sich gespart hätte und sich all seine Wünsche
und Bedürfnisse erfüllt hätte - egal ob emotionale, intellektuelle oder materielle.