Seit dem Tod und Verlust meines Vaters Anfang Mai dieses Jahres habe ich mich
meiner Meinung nach ziemlich verändert. Ich bin öfters als zuvor sehr
traurig, obwohl man das ja als normal bezeichnen könnte (was
ist schon normal) und nichts
ungewöhnliches, wenn ein Mensch das Sterben eines Elternteils hautnah
mitbekommt. Trauer ist nicht das einzige was ich oft empfunden habe in
den vergangenen Monaten. Gefühle von Ohnmacht und Wut mischen sich
z.T. mit Abgeschlagenheit, Lethargie und Momenten, die gefüllt sind
mit einer Abgestumpftheit, die
wie eine schwere und schmerzvolle Last ist. Leere verspüre ich keine.
Viele Dinge (wobei es sich nicht um Sachen handelt) sind für mich
überhaupt nicht mehr wichtig oder aber sie haben enorm an Bedeutung
verloren und nehmen einen viel niedrigeren Stellenwert ein. Lust auf Sex und
Interesse daran
hatte ich z.B. äußerst selten in nun mehr schon als einem halben Jahr. Ich kann mich
nicht erinnern, dass ich eine Frau dermaßen anziehend gefunden hätte als dass
ich den Wunsch gehabt hätte sie anzulächeln, anzusprechen oder mir
zumindest in meiner Phantasie auszumalen, was ich mit ihr gerne
anstellen würde.
Ich hatte oft das Bedürfnis zu schreiben, genauso wie ich mir oft meine
Ruhe gewünscht habe, aber ich konnte mich dazu nicht aufraffen - was ich
sehr bedauere - vielleicht hätte es mir geholfen, mit einigem schneller
klar zu kommen, es zu akzeptieren, mir die Verzweiflung, die Wut, die Trauer
und den Brocken im Hals so gut es geht vom Körper zu schreiben. Faulheit und
Ausreden waren es keine als ich dachte, dass es doch auch nichts ändern
würde und es meinen Vater nicht wieder zum Leben erwecken würde.
Ich hasse es Leuten zu begegnen, die früher nach ihm oder seinem
Gesundheitszustand gefragt haben aber ihn nie besucht haben, weil sie es kaum erwarten konnten die für sie
freudige Nachricht, dass er nicht mehr lebt, zu erfahren. Sie ekeln mich an
und ich mache lieber einen Bogen um sie oder wechsle die
Straßenseite als dem Bedürfnis nachzukommen diesen widerwärtigen Kreaturen vor lauter
Abscheu mitten ins Gesicht zu spucken. Sie sind es nicht wert. Mein Vater war
zeitlebens ein Humanist und ein Altruist, der vielen selbstlos und kostenlos
geholfen hat - daher werde ich wohl nie verstehen können, warum ihn so viele seiner
Landsleute gehasst haben. Etwa wegen seiner anderen politischen
Gesinnung oder weil er ihnen vor Augen gehalten hat und ein lebender
Zeuge war, wie diese Windeier über Nacht so getan haben als ob sie sich
von Kommunisten und Atheisten in gläubige Erzkatholiken mit
demokratischen Prinzipien verwandelt haben, weil das in dem
Moment gefragt war oder von ihnen verlangt wurde. Wie kann man sich als Christ und Demokraten bezeichnen
und gleichzeitig Andersdenkenden den Tod wünschen?!
Oft denke ich, dass sein vorzeitiger Tod sich hätte verhindern
lassen können, dass wir, ich, die anderen nicht genug für ihn getan haben.
Ich würde nicht sagen, dass Schuldgefühle mich plagen, aber ich
habe die Schwere seiner Erkrankungen, obwohl ich ihn als
schwer krank beschrieb, was er auch war, nicht ernst genug genommen.
Meine Mutter (Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie) sagt von sich selbst, dass
sie seitdem sie Witwe ist eine situative und reaktive Depression (wohl
im Gegensatz zu einer endogenen Depression) hat.
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